Bondola ist nicht gleich Bondola

„Bondola“ und „Bondoletta“ sind autochthone Rebsorten aus dem Sopraceneri (TI) und Mesolcina (GR), die früher weit verbreitet waren, aber vom Merlot verdrängt wurden. In den letzten Jahren ist das Interesse an diesen Sorten gewachsen, auch dank der Aufnahme in die Presidi Slow Food. Es ist nun entscheidend, diesen Aufschwung zu nutzen, um die Sorten zu revitalisieren und ihre Erhaltung zu sichern.

Nicht alle ‘Bondola’-Sorten sind gleich: Es gibt verschiedene Klone, die durch spontane Mutationen entstanden sind.

Das Projekt zielt darauf ab, die vielversprechendsten Klone von ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ für die Winzer auszuwählen, um ihr kulturelles Erbe zu bewahren.

Die praktischen Schritte – von der Auswahl gesunden Pflanzenmaterials über die Schaffung von Erprobungsparzellen bis hin zur Analyse der Trauben – erfordern mehrere Jahre Arbeit.

Was ist denn Bondola? Historische Bedeutung für die italienische Schweiz
‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ sind autochthone Rebsorten aus dem Sopraceneri (TI) und der Mesolcina (GR), die in diesen Regionen früher verbreitet kultiviert wurden. Die Bondola wurde 1770 erstmals vom Schweizer Naturforscher Hans Rudolf Schinz während seines Aufenthalts im Tessin erwähnt. Zwischen 1916 und 1936 machte die Bondola etwa 40–45 % der Neuanpflanzungen in diesen Gebieten aus. Heute gibt es nur noch wenige erfahrene Winzer, die diese Rebsorten rein vinifizieren. Die Einführung des Merlots in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte einen grossen Einfluss auf das Gleichgewicht der angebauten Rebsorten, da der Merlot sowohl agronomische, als auch kommerzielle Vorteile bot. Dies führte zu einem erheblichen Rückgang der Anpflanzungen von autochthonen Rebsorten wie ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’. Heute nehmen diese beiden Rebsorten nur noch etwa 1,5 % der Rebfläche im Tessin ein, während Merlot mit 82% dominiert.

In den letzten Jahren hat das Interesse an den beiden Rebsorten sowohl von Winzern als auch der breiten Öffentlichkeit zugenommen, insbesondere durch die Aufnahme in das Presidio Slow Food im Jahr 2023. Bestandteil des Presidi zu sein bedeutet, sich an die Grundsätze «gut, sauber und fair» zu halten und die Anforderungen eines strengen Produktionskodexes zu erfüllen. Dieses Engagement gewährleistet eine Weinproduktion, die die Umwelt respektiert und die autochthonen Rebsorten des Tessins bewahrt (Quelle und weitere Informationen: www.bondola.ch).

Was ist ein Klon?
Im Gegensatz zu natürlichen Fortpflanzungsvorgängen wird die Rebe, wie andere Obstpflanzen, nicht über Samen, sondern durch Veredlung - also vegetativ - vermehrt. Dieser Prozess entspricht einer Klonierung: Das Genom der Tochterpflanze ist theoretisch identisch mit dem der Mutterpflanze, wodurch ihre Eigenschaften erhalten bleiben. Die Variabilität innerhalb einer Sorte entstehen durch kleine spontane Mutationen in den Augen oder durch Viren, ohne das Genom wesentlich zu verändern. Im Laufe der Zeit können daher Mutationen auftreten, die zu leichten Unterschieden zwischen den Klonen führen.

Die Mutterpflanze wird oft aufgrund von sichtbaren Merkmalen wie Farbe und Form der Traube oder der Beere oder aufgrund agronomischer Aspekte wie Ertrag, Vitalität und Qualität ausgewählt. Einige Winzer und Weinliebhaber wählen spezifische Klone aufgrund dieser besonderen Eigenschaften aus, was zu einer Vielzahl von Klonen innerhalb derselben Sorte führt.

Identifikation der Klone von ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’
Die Sammlung von ProSpecieRara im Weinberg von San Martino in Minusio (TI) umfasst heute etwa zwanzig Klone von ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’, die seit den 1990er Jahren vom Winzer Stefano Haldemann gesammelt und vermehrt wurden. Obwohl diese autochthonen Rebsorten ein wachsendes Interesse hervorrufen, ist die Erhaltung der verschiedenen Klone kostenintensiv. Deshalb ist es sinnvoll, Klone mit dem höchsten Potenzial auszuwählen.

Das Hauptziel des Projekts ist die Charakterisierung der verschiedenen ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ Klone der ProSpecieRara-Sammlung in Minusio. Diese ermöglicht es festzustellen, ob es signifikante Unterschiede zwischen den Klonen gibt und welche agronomischen, praktischen und kulturellen Aspekte für die Erhaltung ausgewählt werden sollen. Diese werden dann reproduziert, um als Reben an Winzer weitergegeben werden zu können. Winzer, die dem Presidio Slow Food beigetreten sind, haben bereits Interesse an den Ergebnissen des Projekts bekundet. Das Projekt beschränkt sich nicht nur auf historisches und wissenschaftliches Interesse, sondern hat auch eine praktische Komponente: Es geht darum, die ausgewählten Rebsorten-Klone zu nutzen und deren Trauben zu Wein zu verarbeiten.

Das Projekt umfasst ausserdem die Kartierung der Verbreitung der Rebsorten ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ im Sopraceneri und Mesolcina, um deren Geschichte und Verbreitung besser nachvollziehen zu können. Durch wissenschaftliche Analysen und technische Dokumentationen wird angestrebt, die langfristige Erhaltung dieser Rebsorten zu sichern und sie als Nischenprodukte zu bewahren, indem ihr genetisches und kulturelles Erbe für zukünftige Generationen geschützt wird.

Ziele und Projektstatus
Das Projekt umfasst eine Reihe von Teilzielen, die sich über acht Jahre hinweg erstrecken: Ausgewählte Klone werden nachdem sie getestet und für virenfrei befunden werden vermehrt und in neuen Anlagen gepflanzt. Nachdem die Pflanzen eine ausreichende Reife erreicht haben, werden sie über mehrere Jahre hinweg agronomischen Analysen unterzogen.
 

  1. Konzept und Auswahl der relevanten agronomischen und morphologischen Deskriptoren
    Beginn 2025
  2. Auswahl der Klone zur Reproduktion, Durchführung von Virustests
    Beginn 2025
  3. Vermehrung gesunder Klone, Pflanzung in neue Anlagen, Pflege und Wartung des Weinbergs
    2025-2026
  4. Räumliche Kartierung der Verbreitung der Klone
    2025-2027
  5. Agronomische Analyse und Auswahl der Klone
    2029-2030
  6. Sanierung und gesundheitsfördernde Massnahmen von ausgewählten Klonen
    2029-2030
  7. Dokumentation und Veröffentlichung der Ergebnisse und gesammelten Informationen
    2026-2030


Ressourcen
Die praktischen Schritte des Projekts von der Auswahl gesunden Pflanzenmaterials über die Schaffung von Erprobungsparzellen bis hin zur Analyse der Trauben erfordern mehrere Jahre Arbeit. Ein langfristiges Projekt wie dieses erfordert erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen. Das Projekt wird vom BLW im Rahmen des «Nationalen Aktionsplan zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft» (NAP-PGREL) als Projekt zur nachhaltigen Nutzung unterstützt. Das Projekt ist jedoch auf zusätzliche Spendengelder angewiesen. Darüber hinaus sind spezielle Fachkenntnisse erforderlich, um eine methodische Auswahl, detaillierte Analysen sowie eine kontinuierliche Überwachung der durchgeführten Aktivitäten durchzuführen. Möchten Sie dieses Projekt unterstützen? Sie können dies hier tun. Besten Dank!

Partner
Ziel ist es, Klone der Rebsorten ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ nicht nur zu bewahren, sondern letztlich deren Weinbau und die Weinproduktion zu fördern und ein hochwertiges Endprodukt zu schaffen. Von Beginn an wurden deshalb Experten und Akteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette miteinbezogen – von Baumschulen über Winzer bis hin zu Gastronomiebetrieben. Ergänzend dazu arbeiteten Verbände, Berater sowie kantonale und nationale Behörden mit, um eine umfassende Vision und eine effektive Zusammenarbeit aller Beteiligten zu gewährleisten. Unser Dank gilt den folgenden Partnern, die diese Synergien ermöglicht haben:

  • Agroscope Changins
  • Azienda agraria cantonale di Mezzana
  • Federviti
  • Interprofessione della vite e del vino ticinese, IVVT
  • Sezione agricoltura Canton Ticino
  • Slow Food
  • Ticinowine
  • Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
  • Ausgewählte Winzer aus dem Presidio Slow Food Bondola

 

Steckbrief

Förderung über Nutzung/Vermarktung
2025

Das Projekt hat das Ziel, ausgewählte Klone der Rebsorten ‘Bondola’ und ‘Bondoletta’ anhand agronomischer Kriterien zu erhalten. Zudem wird die Verbreitung dieser Sorten im Sopraceneri/TI und Moesano/GR kartiert, um ihre genetische und kulturelle Vielfalt langfristig zu sichern.

Die Kosten des Projekts werden mit Mitteln des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) und durch zusätzliche Spenden finanziert

Identifikation der wichtigsten Parameter zur Analyse der Klonmerkmale, Auswahl der zu vermehrenden Klone, virologische Tests, Vermehrung gesunder Klone


Ein herzliches Dankeschön an unsere Projektsponsoren: