Ziel dieses ProSpecieRara-Projekts ist es, alte Gemüsesorten durch Nutzung zu erhalten. Dazu muss für Produzenten das entsprechende Saatgut zur Verfügung stehen, Händler und Nutzerinnen müssen die Sorte kennen und gemeinsam am Produktaufbau arbeiten und last but not least müssen diese Sorten verwendet werden.
Besonders in der Testproduktion der ersten Jahre gehen Landwirtinnen und Landwirte mit einer alten, nicht mehr bekannten Sorte ein gewisses Risiko ein. Das Projekt versucht daher auch, den Versuchsanbau finanziell zu unterstützen. Dem vorgelagert erfolgt die Saatgutvermehrung – meist ohne Gewähr auf Saatgutverkäufe – im finanzierten Auftrag.
Mehrstufiges Vorgehen bis zur Produktion und Vermarktung
Der Wiederaufbau von alten Gemüsesorten hat sich über die Jahre hinweg als ein mehrstufiges System herauskristallisiert.
Als erstes werden Sorten im sogenannten Sichtungsanbau auf kleiner Fläche grob zu ihrem Erscheinungsbild eingeschätzt. Haben die Gemüsefrüchte besondere Farben und Formen? Zeichnen sie sich durch spezielle Geschmackseigenschaften aus? Oder gibt es sonst eine Besonderheit, die die Produkte im Verkauf je nach Vermarktungskanal auffallen lässt?
Sorten, die Potenzial zeigen, werden im zweiten Schritt eingehender geprüft. Im sogenannten agronomischen Versuchsanbau werden Ertrag, Effizienz von Pflege und Ernte, Haltbarkeit des Ernteguts und nochmals Geschmackseigenschaften nach wissenschaftlichem Standard erhoben. Idealerweise können hier auch Resistenz bzw. Anfälligkeit auf Krankheiten und Schädlinge erhoben werden.
Als drittes – und in manchen Fällen auch bereits im dritten Jahr seit Testbeginn – werden die vielversprechenden Sorten auf einem Gemüsebetrieb in einer überschaubaren Testmenge produziert. Dieser Testanbau kommt gewissermassen einer zweiten agronomischen Prüfung gleich. Denn nun zeigt sich, ob sich die ersten Resultate auch in Folgejahren wiederholen lassen. Und vor allem wird erst in der Testproduktion in der Praxis ersichtlich, ob die Sorten zum Betrieb, zu Boden, Fruchtfolge, maschineller Einrichtung, Verkaufsstrategie, etc. passen. Bei Erfolg können nun Dutzende bis Hunderte Kilogramm einer Sorte feilgeboten werden. So zeigt sich auch gleich, ob Konsument*innen die Produkte genügend schätzen.
Schliesslich erfolgt in einem vierten Schritt, nach ein bis zwei Testjahren in der Praxis der definitive Entscheid über die feste Aufnahme einer Sorte im Gemüsesortiment der getesteten Verkaufskanäle.
Voraussetzung: Genügend Saatgut
Alte Gemüsesorten, die noch bei Saatgutquellen erhältlich sind, können demgemäss immerhin bereits in vier Jahren wieder erfolgreich angebaut und verkauft werden. Trouvaillen aus der ProSpecieRara-Erhaltung, der Schweizer Genbank oder aus Einsendungen von Privaten sind aber meist nur mit einer Handvoll Saatgut vorhanden. Von solchen Sorten muss zunächst Saatgut aufgebaut werden. Und in nicht wenigen Fällen bedarf es dabei ein bis mehrere Jahre an Selektion des Bestandes, damit das Saatgut den Ansprüchen der Praxis genügt. Je nach Kulturart sind diese ganz unterschiedlich, aber meistens geht es nicht ohne ein gewisses Mindestmass an Gleichmässigkeit der Pflanzen und der Produkte. Beispielsweise wurde 2017 eine unglaublich aromatische, meist milde Paprika entdeckt. Leider zeigte sich im Freilandanbau, dass die Früchte entgegen der Erwartung vereinzelt sehr scharf sein können – die Selektion auf Schärfeausschluss ist hier also zwingend, damit Konsument*innen eine solche Sorte schätzen.