Referenzwerte für künftige Erhaltungszucht
Insgesamt wurden 284 Tiere genotypisiert, wobei in der Regel pro Zuchtgruppe ein Hahn und zwei Hennen in die Studie miteinbezogen wurden (siehe Tabelle). In der Auswertung wurde im Anschluss für jedes Tier die genomische Inzucht und für jedes Tierpaar die genomische Verwandtschaft ermittelt und dargestellt. Die genomische Inzucht zeigt an, ob in der Geschichte eines Tieres verwandte Tiere angepaart wurden. Die genomische Verwandtschaft wiederum ermittelt auf genetischer Ebene, wie stark die untersuchten Tiere also Hähne und Hennen, miteinander verwandt sind. Ein Vorteil der genomischen Daten ist es, dass die genomische Verwandtschaft und die genomische Inzucht unabhängig von einem Herdebuch für die genotypisierten Tiere hergeleitet werden kann
| Hähne | Hennen | Total |
AB | 39 | 61 | 100 |
SH | 39 | 74 | 113 |
SP | 22 | 49 | 71 |
Total | 100 | 184 | 284 |
Tabelle 1: Anzahl der ins Projekt aufgenommenen Tiere je Rasse der drei Schweizer Hühnerrassen (AB: Appenzeller Barthuhn, SH: Schweizerhuhn, SP: Appenzeller Spitzhaubenhuhn)
Von den drei Schweizer Hühnerrassen weisen die Appenzeller Spitzhauben die höchste durchschnittliche genomische Inzucht auf. Insbesondere fallen die hohen mittleren Werte der genomischen Inzucht der seltenen Farbschläge Reingold und Silbertupf auf. Die Appenzeller Barthühner liegen leicht unter dem Mittelwert der Rasse Spitzhauben, während die Rasse Schweizerhuhn die tiefsten Inzuchtwerte der drei Rassen zeigt.
Rasse | BH | SH | SP |
Anzahl Tiere | 100 | 113 | 71 |
FROH ± STD | 11.0 ±4.8 | 10.3 ±4.6 | 16.4 ±8.4 |
Tabelle 2: Mittlere genomische Inzuchtwerte (FROH) der drei Schweizer Hühnerrassen.
Am besten steht also das Schweizerhuhn da, knapp vor dem Appenzeller Barthuhn, während die höchsten Verwandtschafts- und Inzuchtwerte beim Appenzeller Spitzhaubenhuhn zu finden sind. Dieses Ergebnis ist nicht erstaunlich, handelt es sich bei der Rasse Appenzeller Spitzhaubenhuhn um eine sehr kleine, geschlossene Population.
Ein allgemein gültiger Schwellenwert für genomische Inzucht ist in der Geflügelzucht nicht sinnvoll, da die Schätzwerte von der Markerdichte (d.h. wie viele Punkte im Genom der Tiere berücksichtigt wurden) und von der Rassengeschichte abhängig sind. Die im Projekt ermittelten Mittelwerte sollen als Momentaufnahme den Status Quo definieren und als Referenzwerte dienen. Ausgehend davon kann ab sofort die Inzuchtentwicklungen innerhalb der drei Rassen besser beurteilt werden.
In der Praxis kann die Inzucht von zukünftigen Jungtieren durch die Kontrolle der genomischen Verwandtschaft von einem Zuchthahn zu den anzupaarenden Hennen eingeschränkt werden.
Zu dem Zweck wurden in einem ersten Schritt für alle Tierpaare der drei Rassen die genomische Verwandtschaft und die Rassenmittel hergeleitet. Diese Mittelwerte sind in der Tabelle 3 dargestellt und stimmen mit der Geschichte und dem Zuchtgeschehen in den drei Rassen überein. In einem zweiten Schritt wurden die genomischen Verwandtschaften der beprobten Hähne mit den beprobten Hennen genauer unter die Lupe genommen. So werden Hähne, die unterdurchschnittlich verwandt sind mit den Hennen einer Zuchtgruppe erkannt und für die kommende Zuchtsaison gezielt ausgetauscht werden. Das Vorgehen wird in der Abbildung unten erläutert („Beispiel für die Anwendung des Anpaarungstools“).
Rasse | BH | SH | SP |
Anzahl Tiere | 100 | 113 | 71 |
Mittlere genom. Verwandtschaft | 0.21 | 0.11 | 0.33 |
Tabelle 3: Mittlere genomische Verwandtschaften innerhalb der drei Schweizer Hühnerrassen
Leistungen:
Vitalitätsparameter
Von 21 Zuchtgruppen aller drei Rassen wurden im ersten Projektjahr die Vitalitätsparameter der Tiere (Brut- und Aufzuchtleistungen sowie Mortalität) ermittelt. Insgesamt wurden 19 Kunst- und 2 Naturbruten miteinbezogen.
Die Befruchtungsraten (Anzahl befruchteter pro bebrüteter Eier) sind: Schweizerhuhn 82%, Appenzeller Barthuhn 79%, Appenzeller Spitzhaubenhuhn 91%.
NB: Die Befruchtungsraten sind abhängig vom Datum der Bruteiersammlung (Wetter, Temperatur), vom Geschlechterverhältnis (Anzahl Hähne pro Anzahl Hennen) sowie von Alter und Vitalität der Hähne. Diesen Variablen konnte in diesem Projekt aufgrund der Komplexität nicht Rechnung getragen werden. Die ermittelten Befruchtungsraten spiegeln somit die tatsächlichen Praxisbedingungen wider.
Die Schlupfrate (Anzahl lebensfähige, geschlüpfte Küken pro Anzahl eingelegte Eierliegen bei 65% (Appenzeller Barthuhn), 58% (Schweizerhuhn) und 64% (Appenzeller Spitzhaubenhuhn). Gemessen an den mittleren Schlupfraten von rund 80% in der konventionellen Geflügelzucht (Referenz: Aviforum), sind die Schlupfraten in den untersuchten Bruten vergleichsweise tief. Die Gründe für die tieferen Schlupfraten sind vielfältig. Die Stichprobe ist mit 21 Bruten relativ klein und das Management (Sammlung Bruteier, Lagerung Bruteier, Grösse Bruteier, etc) ist weniger standardisiert im Vergleich mit konventionellen Brütereien. Weiter sind die drei Rassen saisonal. Dies hat zur Folge, dass Bruten mit sehr frühem Brutbeginn in tiefen Schlupfraten resultieren. Die Schlupfrate hängt auch von genetischen Faktoren ab. Es ist jedoch sehr schwierig, basierend auf kleinen Daten Zusammenhänge zwischen den Inzuchtkoeffizienten und tiefen Schlupfraten nachzuweisen.
Nebst technischen Gründen (Handling und Lagerung der Bruteier, Handling der Brutmaschinen u.a.) ist die Schlupfrate auch von genetischen Faktoren und Entwicklungsstörungen abhängig.
Die Aufzuchtrate (Anzahl aufgezogene Tiere pro Anzahl geschlüpfter Tiere) stellt sozusagen das Gegenteil der Mortalität dar (Anzahl Tiere, die nach dem Schlupf absterben oder wegen Körperanomalien getötet werden müssen). Die Aufzuchtrate liegt im Untersuchungszeitraum in der Rasse Schweizerhuhn (95%) am höchsten, gefolgt von der Rasse Appenzeller Spitzhauben (92%) und der Rasse Appenzeller Barthuhn (88%). In der Rasse Appenzeller Barthuhn ist die Aufzuchtrate etwas tiefer als 90%, weil Küken mit Kreuzschnabel ausgeschlossen werden mussten.
Legeleistung
In insgesamt 52 Hennengruppen wurde von April 2021 bis März 2022 täglich die Anzahl gelegter Eier notiert, dabei kamen total 114893 Legehennentage zusammen, in denen die Tiere total 38566 Eier legten.
| Anzahl Gruppen | Anzahl Eier erfasst | Lege-hennen-tage | Ø Anzahl Hennen | Ø Eier pro Henne und Jahr |
BH | 16 | 8003 | 22160 | 60.71 | 131.82 |
CH | 21 | 19760 | 59749 | 163.70 | 120.71 |
SH | 15 | 10803 | 32984 | 90.37 | 119.55 |
Über alle Rassen gemessen legt somit eine Henne alle 3 Tage ein Ei. Die durchschnittliche jährliche Legeleistung der einzelnen Hennen ist gemäss der Daten aus dem Jahr 2021 bei den drei Rassen vergleichbar: Appenzeller Barthuhn: 132 Eier, Schweizerhuhn: 121 Eier und Appenzeller Spitzhaubenhuhn: 119 Eier pro Jahr.
Die Erhebung der Leistungserfassungen wird im Jahr 2022 weitergeführt und anhand der Erfahrungen des ersten Jahres auch ein wenig verfeinert, beispielsweise werden die Ergebnisse nun bezüglich der Anwendung von Kunstlicht im Stall korrigiert.
Die Eierleistungen unserer Hühner sind zweifellos respektabel, wenn auch bei weitem nicht so hoch wie die landläufige Vorstellung. Die in der Literatur angegebenen Legeleistungen werden oft unter standardisierten Bedingungen erhoben (z.B. mit Lichtregime). Hier wird das Projekt ebenfalls eine Lücke schliessen und aufzeigen, welche Legeleistungen unter nicht standardisierten Bedingungen erwartet werden können.
Die Erfassung der Brut- und Legeleistungen dauert im laufenden Jahr noch an und wird im Jahr 2023 abschliessend ausgewertet. Wir sind sehr dankbar für das engagierte Mitwirken der Züchterschaft und gespannt auf die Ergebnisse aus den nächsten zwei Projektjahren!