Die Saaser Mutten gehören zu den Bergamaskerschafen, die ihren Ursprung in der Lombardei, nordöstlich von Bergamo haben und sich in den vergangenen Jahrhunderten über weite Teile Oberitaliens ausgebreitet haben. Das Oberwallis grenzt an die nördlichen Ausläufer des Verbreitungsgebiets des Bergamaskerschafes. Die Schäferei mit Bergamaskerschafen hat im Saastal Tradition und der lokale Typ dieses Schafes war hier lange Zeit vorherrschend.
Projektstart
Im Spätsommer 2013 musste befürchtet werden, dass die Bergamaskerschafe im Saastal verschwinden: Sowohl die Anzahl Tiere als auch die Anzahl Züchter*innen nahmen stark ab. Züchternachwuchs war kaum in Sicht. ProSpecieRara startete darum im August 2013 eine Analyse mit dem Ziel, den Status quo zu erfassen und abzuklären, was zu unternehmen ist, um den lokalen Saaser Schlag des Bergamaskerschafes zu erhalten.
Am 25. März 2014 trafen sich auf Einladung von ProSpecieRara und dem Landwirtschaftlichen Zentrum Visp 14 Züchter*innen (gut die Hälfte der noch aktiven Züchter*innen) in Saas-Grund zu einem ersten Informations- und Arbeitstreffen. Es wurde besprochen, wie der massive Rückgang des traditionellen Schafes gestoppt werden könnte.
Als Hommage an das letzte Refugium der Schafe, die einst im ganzen Simplongebiet vertreten waren und heute praktisch nur noch auf den Saaser Gemeindegebieten zu finden sind, beschlossen die Anwesenden, das Rettungsprojekt unter dem Namen «Saaser Mutten» zu führen («Mutten» ist Walliserdeutsch für «Schafe» und leitet sich vom französischen «mouton» ab).
Sommer 2014: Tierinventar läuft an
Als erster Projektschritt wurde beschlossen, dass alle Züchter*innen alle verfügbaren Daten der noch lebenden Tiere an ProSpecieRara melden, damit die Stiftung ein Zuchtbuch eröffnen kann. Dieses wird als Grundlage für die Erhaltungszucht mit möglichst tiefen Inzuchtwerten dienen. Für dieses Inventar stellt ProSpecieRara Erhebungsformulare zur Verfügung, die helfen, alle bekannten Daten anzugeben.
Herber Rückschlag an der Schafscheid
Am Samstag, 13. September 2014, fand in Saas-Almagell die jährliche Schafscheid statt, an der nach dem Alpsommer die Schafe wieder auf ihre Besitzer*innen aufgeteilt werden. Es fehlten 103 (!) Tiere.
Ein Lichtblick: Unzählige Medien berichteten über den Schafdiebstahl, wodurch sich viele Interessierte meldeten, die bei der Erhaltung der Rasse aktiv mitmachen wollten. ProSpecieRara sammelte alle Adressen. Herzlich willkommen sind vor allem auch Interessierte aus dem Saastal und Umgebung. Auch wegen der ungeklärten Lage der vermissten Schafe gab es zu jenem Zeitpunkt aber quasi keine Tiere zu verkaufen.
Dezember 2014: Verwandtschaftsanalyse gestartet
Im Dezember 2014 startete ProSpecieRara zusammen mit dem Tierspital Bern eine Verwandtschaftsanalyse, die helfen sollte, die Erhaltungszucht optimal zu planen.
Weniger Tiere als erhofft
Im Februar 2015 konnte ProSpecieRara erste Resultate der Tiererhebung vermelden. Nach der Verarbeitung der Meldungen von fast allen bekannten Betrieben bestätigen die Zahlen die Befürchtung, dass die einst grossen Bestände im Tal massiv eingebrochen sind:
Erfasster Tierbestand am 23.02.2015: 398 Tiere, davon 64 Widder (41 weisse und 23 farbige) und 334 Auen (212 weisse und 122 farbige)
Bessere Überwachung dank Satellitensender-Halsbändern
Um die Saaser Mutten während des Alpsommers besser überwachen zu können, wurde zusammen mit den Schafhalter*innen im Saastal abgeklärt, welche zusätzlichen Massnahmen umgesetzt werden können. Weil die verschiedenen Dörfer ihre Tiere auf verschiedenen Alpbereichen sömmern, konnte kein gemeinsames Behirtungssystem aufgezogen werden. Um dennoch besser kontrollieren zu können, wurde beschlossen, einzelne Leitschafe mit Satellitensendern auszustatten. Das Ziel dabei ist, bei Kontrollgängen die Tiere im Gelände einfacher zu finden und zudem schneller bei den Schafen zu sein, wenn Tiere z.B. bei schlechtem Wetter in heikle Gebiete unterwegs sind oder Tiere gestohlen werden. Dank eines Sponsors konnten im Juni 2015 die ersten sechs Schafe besendert werden.
Zweites Halbjahr 2015: die Resultate der Verwandschaftsanalyse liegen vor
Informationen zu den Resulaten der Verwandtschaftsanalyse finden Sie hier.
Von Seiten Zuchtbuch galt es, weiter am Ball zu bleiben, bislang noch nicht erfasste Tiere und natürlich die Lämmergeneration 2015 zu erfassen. Dazu gehört auch die Hilfe beim Vermitteln von Tieren an bestehende und neue Betriebe.
Juni 2016: neue Alpsaison
Nach der erfolgreichen Versuchsphase im Sommer 2015 mit sechs Sendehalsbändern konnten wir im Juni 2016 zehn weitere Halsbänder an die Schäfer*innen im Saastal übergeben. Ein Grossteil der Schafherden kann somit über die jeweiligen Leitschafe via Satellit resp. Internet-Kartenprogramm überwacht werden. Besonders erfreulich ist, dass Dank des einfacheren Auffindens der Schafe die Intervalle der Kontrollgänge zu den Schafen kürzer wurden. Da alle Betriebe, die ein Sendehalsband nützen, ihre Tiere ans ProSpecieRara-Zuchtbuch melden, profitiert die Absicherung der Verwandtschaftsdaten und das Monitoring der Bestände ebenfalls von der Besenderung der Tiere.
August 2016: Promiente Walliser Persönlichkeiten wertschätzen das Engagement für die Saaser Mutten
Es freut uns enorm, dass unser Rettungsprojekt für die Saaser Mutten von namhaften Walliser Persönlichkeiten Zuspruch erhält. Wer mit dabei ist und was die Prominenten zum Projekt sagen finden Sie hier: Allianz für die Saaser Mutten.
Erfasster Tierbestand am 24.08.2016: 547 Tiere, davon 108 Widder (56 weisse und 52 farbige) und 439 Auen (263 weisse und 176 farbige)
Saaser Mutten als Botschafter
Am 8. November 2016 konnte ein weiterer Meilenstein in der Öffentlichkeitsarbeit für die Saaser Mutten realisiert werden. Dank der Mithilfe des Saas-Grunder Gemeindepräsidenten Bruno Ruppen durften wir an einer der prominentesten Stellen an der Zufahrtstrasse unterhalb von Saas-Balen eine grosse Tafeln montieren, welche die Anreisenden auf die besonderen Schafe im Tal aufmerksam macht. Die Herstellung der Tafeln wurde von der Loterie Romande mitunterstützt. Allen, die mitgeholfen haben, ein grosses Dankeschön!
Projektstand August 2018
Das Rettungsprojekt für die Saaser Mutten wirkt stetig. Die Tierbestände nehmen kontinuierlich wieder zu, was auch auf die neu zum Projekt stossenden Schafhalter*innen nördlich der Alpen zurückzuführen ist. Die Saaser Schafthalter*innen erhalten mehr und mehr «Üsserschwyzer» Kolleg*innen, die mithelfen, die bedrohten Saaser Schafe zu fördern. Im August 2018 stammten die im ProSpecieRara-Herdebuch geführten Tiere von 23 Saaser Zücher*innen und von 35 Betrieben ausserhalb des Wallis. Erfreulich ist die gute Zusammenarbeit der Schäfer*innen. Der Austausch von Zuchttieren zwischen den Regionen funktioniert, was der Bewahrung der genetischen Breite und der Verhinderung von ungesunden Inzuchtraten zugute kommt. Da es unabdingbar ist, nur Widder und Auen, die möglichst wenig miteinander verwandt sind, zu paaren, gehören Inzuchtberechungen zu unseren regelmässigen Dienstleistungen für die Züchter*innen. Dass 2018 ein neuer, junger Züchter im Saastal mit der Zucht der Saaser Mutten begonnen hat, stimmt uns besonders zuversichtlich, denn Züchternachwuchs ist rar in der Heimat der Langohren.
Projektstand März 2020
Per 1.1.2020 wurde in der Schweiz die Tierverkehrsdatenbank (TVD) für Schafe und Ziegen eingeführt - eine grosse Herausforderung für alle Tierhalter und auch für die Projektleitung. Um den Datenaustausch zwischen der TVD und dem Zuchtbuch garantieren zu können und um dem Willen des Bundes zu entsprechen, dass künftig alle Schafe über dieselbe Zuchtbuchplattform verwaltet werden, zügelten wir die Tier- und Betriebsdaten auf das Zuchtbuch SheepOnline des Schweizerischen Schafzuchtverbandes (SSZV). Der SSZV verwaltet für uns ab 2020 die Zuchtbuchdaten, die Verantwortung für die Zucht der Saaser Mutten bleibt weiterhin bei ProSpecieRara und den Züchterinnen und Züchtern.
Ab 2020 melden die Tierhalterinnen und Tierhalter alle Mutationen (Geburten, Zukäufe, Alpungen, Abgänge,...) über agate.ch. Die Daten aller Betriebe, die beim ProSpecieRara-Erhaltungsprojekt mitmachen, werden automatisch ans Zuchtbuch übermittelt.
Projektstand Januar 2024
Die Umstellung auf das neue Zuchtbuchprogramm war eine aufwändige Sache. Der Aufwand lohnte sich jedoch auf jeden Fall. Dies auch, weil bald darauf ein Virus die Welt beschäftigte. Dank der direkten Anbindung mit der Tierverkehrsdatenbank konnte der Informationsfluss vom Stall ins Zuchtbuch auch während der Pandemie erfolgen. Noch immer befindet sich das Rettungsprojekt in einer Pionierphase in der es vor allem gilt, die Saaser Mutten noch mehr zu verbreiten und sie damit besser abzusichern. Je mehr Züchter:innen mitmachen, umso grösser wird auch die geografische Verbreitung und damit die Sicherheit, weil z.B. bei einem Ausbruch einer Seuche nicht alle Tiere betroffen sind. Zurzeit werden die Tierbeurteilungen von den Züchter:innen in Eigenverantwortung selbst vorgenommen und der Fokus liegt auf der gesunden Vermehrung mit möglichst tiefen Inzuchtwerten.
Erfasster Tierbestand Anfang 2024: 1'165 Tiere, davon 246 Widder und 919 Auen