Mit Engadinerschafen gegen die Verbuschung der Alpen

Auf nicht mehr beweideten Alpweiden macht sich die Grünerle breit und verhindert damit die Rückkehr des schützenden Bergwaldes. Mit Engadinerschafen kann man nachhaltig dageben angehen.

Erika Hiltbrunner Uni Basel

Engadinerschafe lieben vor allem im Frühjahr die Rinde der Grünerlen und bringen die Büsche durch das Schälen der Rinde zum Eingehen.

Erika Hiltbrunner, Uni Basel

Wo Grünerlen wuchern, haben Bäume keine Chance mehr. Weil Lawinen über die Grünerlen hinwegdonnern, wächst mit der dominanten Strauchvegetation die Lawinengefahr.

Werden im Berggebiet Wiesen und Weiden nicht mehr genutzt, kommt vielerorts nicht der Bergwald zurück, sondern die Grünerle (lat. Alnus viridis). Dieser einheimische Strauch nimmt innert weniger Jahre überhand und bildet ein undurchdringliches Gestrüpp. Die Grünerle hat mit Hilfe von Symbiosebakterien Zugang zu einem unerschöpflichen Reservoir an Stickstoffdünger, nämlich dem Luftstickstoff (78 % der Luft). Dadurch wächst die Grünerle nicht nur schnell, sondern sie reichert ihr ganzes Umfeld mit Stickstoff an. Die kleinen Samen unserer Waldbäume haben im Dickicht der Grünerlen keine Chance auf- und durchzukommen.

Das Bodenwasser unter den Grünerlen ist stark mit Nitrat angereichert, welches in die Fliessgewässer ausgewaschen wird. Die Böden unter den Grünerlen geben grosse Mengen an stickstoffhaltigem Lachgas ab. Lachgas ist durch seine lange Verweildauer in der Atmosphäre ein rund 300 Mal stärkeres Treibhausgas als CO2. Die Verbuschung durch die Grünerle geschieht im gesamten Europäischen Alpenbogen zwischen 1'200 und 2'200 Meter über Meer. Es ist aktuell die schnellste und tiefgreifendste Veränderung der Landbedeckung im Alpenraum.

Engadinerschafe drängen Grünerlen zurück
Hackt und schneidet man die Grünerle, treiben alle schlafenden Knospen aus und der Strauch erstarkt sogar. Engadinerschafe hingegen schälen im Frühjahr gierig die Rinde vom Stamm, die Grünerle verdorrt und stirbt ab. Das Engadinerschaf ist eine urtümliche Rasse. Die Stiftung ProSpecieRara bewahrte mit der Unterstützung engagierter Züchter die Rasse vor dem Aussterben. Heute ist der Bestand an Engadinerschafen wieder genügend gross und gegen die Verbuschung des Alpenraumes einsetzbar. Das Engadinerschaf ist robust, hat dank der harten Hufe eine geringe Anfälligkeit gegenüber Klauenfäule und zeigt eine hohe Fruchtbarkeit und problemlose Geburten. Zudem sind die Engadinerschafe sehr zutrauliche Tiere, was die Behirtung im stark verbuschten Gebiet erleichtert.

Ein Landschaftspflegeprojekt mit Vermarktung
Die Biologin Dr. Erika Hiltbrunner wollte etwas unternehmen gegen den Vormarsch der Grünerlen im Urner Urserntal. Zusammen mit dem Schweizerischen Engadinerschaf Zuchtverein lancierte sie ein Projekt mit Engadinerschafen mit dem Ziel, die Grünerlen zurückzudrängen und damit den Rückgang der Biodiversität auf den Alpweiden zu stoppen. Weil sie dies seither mit Engadinerschafen macht, fördert sie gleichzeitig diese alte Schweizer Schafrasse.

Sympathischer Nebeneffekt: Nachhaltig produziertes Lammfleisch
Aus dem Projekt heraus entsteht auch feines Engadiner-Lammfleisch, für das Erika Hiltbrunner eine Vermarktung aufbaut. Weitere Auskünfte zum Landschaftspflegeprojekt und zu Bezugsmöglichkeiten von Fleisch aus dem Projekt erhalten Sie direkt via Email: erika.hiltbrunner(at)unibas.ch oder unter der Telefonnummer 078 744 96 21.
 

Dieser Arktikel basiert auf dem Informationsflyer «Mit Engadinerschafen gegen die Verbuschung des Alpenraums» von Dr. Erika Hiltbrunner, Alpine Forschungs- und Ausbildungsstation FURKA, ALPFOR des Botanischen Instituts der Universität Basel, 2018. Mehr Informationen und ein Video mit den Engadinerschafen bei der Arbeit finden Sie hier.

Eine weitere Information, bei der Engadinerschafe in Zusammenhang mit der Grünerlenbekämpfung erwähnt werden, finden Sie hier.