Mitte der 1980er Jahre waren die Walliser Landschafe kurz davor, für immer zu verschwinden. Dank des Eingreifens von ProSpecieRara zusammen mit engagierten Schafhalterinnen und -haltern konnten die damals letzten lebenden Tiere dieser alten Rasse, die auf das frühzeitliche Kupferschaf zurückgeht, in ein Erhaltungszuchtprojekt überführt und damit gerettet werden. 1994 entstand aus dem ProSpecieRara-Projekt heraus der Zuchtverein Walliser Landschaf (WLS), dem es zusammen mit der Stiftung gelang, die Bestände der Walliser Landschafe wieder anwachsen zu lassen. Anfang 2018 können wieder 160 Widder und 850 Auen in der Zucht gezählt werden. Ein toller Erfolg, auch wenn die Walliser Landschafe damit noch immer als gefährdet eingestuft werden müssen.
Schwarze Schafe
Im Rahmen des Erhaltungszuchtprojekts traten nebst den hauptsächlich vorkommenden, rotbraunen Tieren immer wieder auch vereinzelt schwarze Tiere auf. Darüber, wie mit diesen schwarzen Schafen umzugehen sei, herrschte über längere Zeit Unsicherheit. ProSpecieRara sah in den schwarzen Tieren genetisches Erbe der schwarzen Lötschenschafe, die einst ebenfalls im Wallis lebten. Einige Züchter der Walliser Landschafe fanden gefallen am schwarzen Typ, und weil dieser im Zuchtbuch geduldet wurde, konnten sie mit ihm züchten. Andere Züchter waren der Meinung, dass die schwarzen Walliser Landschafe aus Kreuzungen mit Walliser Schwarznasenschafen hervorgingen und waren daher weniger angetan von schwarzen Tieren in ihren Beständen. Dass die Rasse in der französischen Sprache als „Roux du Valais“, also als „Rotes aus dem Wallis“, bezeichnet wird, war der Integration der schwarzen Tiere ebenfalls nicht gerade zuträglich. Für die Frage, ob der schwarze Lötschenschlag gefördert werden soll, ist es von grosser Relevanz zu wissen, ob die schwarze Fellfarbe Ausdruck einer rassespezifischen Vielfalt oder vielmehr Beleg einer rassefremden Einkreuzung ist.
Klärung dank modernster genetischer Untersuchungsmethoden
Um Klarheit in dieser Sache zu schaffen, initiierte ProSpecieRara darum Mitte 2016 ein Studienprojekt zusammen mit dem WLS, dem Institut für Genetik der Vetsuisse Fakultät der Universität Bern und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen. Das Ziel dabei war, mit modernen genetischen Analysen der Ursache der schwarzen Färbung auf den Grund zu gehen und gleichzeitig abzuklären, inwiefern die schwarzen Walliser Landschafe genetisch mit den Walliser Schwarznasenschafen in Verbindung gebracht werden können. Dank der Mitfinanzierung des Projekts durch das Bundesamt für Landwirtschaft konnten sich die Projektpartner Ende 2016 an die Arbeit machen.
Lötschenschlag ist Teil der Rasse Walliser Landschaf
Die Resultate zeigten, dass der schwarze Lötschenschlag Teil der Rassengenetik und -identität der Walliser Landschafe ist, und dass die schwarzen Tiere keine unerwünschten Kreuzungstiere mit anderen Rassen, sondern Ausdruck der genetischen Variabilität innerhalb der Rasse Walliser Landschaf sind und somit gleichwertig mit den rotbraunen Tieren zu schützen und zu fördern sind.
Dies bestätigt auch eine genomische Auswertung des HAFL-Teams, die deutlich aufzeigt, dass die genomische Verwandtschaft zwischen den rotbraunen und den schwarzen Walliser Landschafe sich nicht unterscheidet. Beide Farbschläge können somit einer gemeinsamen Population zugeordnet werden.
Die rotbraune Färbung wird rezessiv, die schwarze dominant vererbt
Bei der genetischen Analyse wurde anfangs das MC1R-Gen untersucht. Dieses Gen ist wichtig für die Bildung von Farbpigmenten. Interessanterweise zeigen in diesem Gen alle Walliser Landschafe, also die rotbraunen und die schwarzen Tiere, Mutationen, von denen man weiss, dass sie dominant schwarz verursachen. Wenn aber alle Walliser Landschafe diese Mutationen für schwarz tragen, wieso ist dann die Mehrheit der Tiere rotbraun gefärbt? Um dies zu klären wurde eine sogenannte genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Hierzu wurden ausgewählte Walliser Landschafe an über 600'000 Stellen (sogenannte SNP-Marker) im Schafgenom genotypisiert. Anschliessend wurde das Genom der schwarzen mit demjenigen der rotbraunen Tiere verglichen. Dabei kam heraus, dass sich die beiden Farbschläge im TYRP1-Gen unterscheiden. Auch dieses Gen ist beteiligt an der Herstellung von Farbpigmenten. Bei näherer Betrachtung aller Tiere wurden im TYRP1-Gen drei funktionelle Mutationen gefunden. Diese Mutationen sind die Ursache der rotbraunen Farbe. Sie werden rezessiv vererbt und führen in jeder Kombination zu rotbraunen Tieren. Das heisst, ein Tier ist dann rotbraun, wenn es jeweils eine der drei Mutationen von Mutter und Vater erhalten hat. Und das hat ebenfalls zur Folge, dass aus Paarungen von zwei rotbraunen Tieren immer nur rotbraune Junge hervorgehen.
Renaissance des Lötschenschafes
Abbildung Anpaarungszenarien: Dank den Analysen lassen sich bezüglich des Farbphänotyps folgende Anpaarungsszenarien skizzieren: Reinerbig rotbraun x reinerbig rotbraun (a), reinerbig schwarz x reinerbig schwarz (b), reinerbig rotbraun x reinerbig schwarz (c), reinerbig rotbraun x mischerbig schwarz (d), mischerbig schwarz x mischerbig schwarz (e), mischerbig schwarz x reinerbig schwarz (f). r = trägt eine der drei TYRP1-Gen Mutationen, die für rotbraune Fellfarbe verantwortlich sind; S trägt keine der drei Mutationen, schwarz.
Einzigartigkeit der Rasse
Die Walliser Landschafe sind einzigartig. Dies zeigt einerseits, dass die dominant schwarz verursachenden MC1R-Mutationen, die bei ihnen gefunden wurden, bei den Walliser Schwarznasen nicht nachgewiesen werden konnten. Zudem konnte die HAFL aufzeigen, dass sich die Walliser Landschafe in der genomweiten Assoziationsstudie von der Schwesterrasse „Walliser Schwarznase“ (schwarze Punkte in der Grafik), klar abtrennen lassen. Dies unterstreicht, dass die Hypothese, dass der schwarze Lötschenschlag auf Kreuzungen zwischen rotbraunen Landschafen und Schwarznasenschafen zurückgeht, klar verworfen werden muss. Auch von anderen Schweizer Schafrassen lässt sich das Walliser Landschaf klar abgrenzen. Die Walliser-Landschaf-Rasse ist somit auch DNA-basiert belegbar einzigartig.
Grafik: genomweite Differenzierung anhand SNP- Genotypen der verschiedenen Farbschläge innerhalb des Walliser Landschafes (rechts: rote Punkte = rotbraune Tiere, blaue Punkte = schwarze Tiere) und des Walliser Schwarznasenschafes (links: schwarze Punkte).
Schlussfolgerungen
Aufgrund der gemeinsame Geschichte und der geografischen Nähe der Walliser Landschafe und der Lötschenschafe und im Hinblick auf die bisherige gemeinsame Zucht beschlossen die Projektpartner, dass es sinnvoll ist, beide Farbschläge innerhalb der Rasse Walliser Landschaf weiterhin in einem gemeinsamen Zuchtbuch zu züchten und keine obligatorisch getrennte Zucht auf Farben vorzuschreiben. Es ist somit den Züchtenden überlassen, ob sie sich auf einen Farbschlag konzentrieren oder mit beiden züchten wollen. Mit der Bezeichnung „Lötschenschlag“ erhält des schwarze Walliser Landschaf seinen Stellenwert innerhalb des Gesamtbestandes. Sie soll das Stigma des Unerwünschten, dass z.T. vorhanden war, beseitigen und den Züchtern, die den schwarzen Schlag halten und züchten eine stärkere Wertschätzung vermitteln. Damit wird eine wichtige Basis dafür gelegt, dass das Walliser Landschaf in seiner ganzen genetischen Breite erhalten werden kann.
Probensammlung
Für die Gewinnung der DNA-Profile der Tiere wurden zwischen Dezember 2016 und Oktober 2017 insgesamt 112 Blutproben gesammelt (70 von schwarzen und 42 von rotbraunen Walliser Landschafen). Erfreulicherweise konnte das Projekt zudem auf bereits vorhandene Blutproben und Daten von 62 Walliser Landschafen (8 schwarze und 54 rotbraune) und 48 Walliser Schwarznasenschafen zurückgreifen.
Durchgeführt wurden die Blutprobenentnahmen und die Auswertungen von der Masterstudentin Julia Paris im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang Veterinärmedizin, betreut durch Prof. Dr. med. vet. Cord Drögemüller und unterstützt von ProSpecieRara und dem Zuchtverein Walliser Landschaf WLS. Zuchtbuchführer Beat Spycher vom WLS evaluierte anhand der Zuchtbuchdaten die zu beprobenden Tiere und unterstützte Julia Paris bei der Organisation der Betriebsbesuche. Ebenfalls begleitet wurde das Projekt von Dr. Christine Flury von der Arbeitsgruppe Tiergenetik der HAFL in Zollikofen. Zusammen mit Dr. Heidi Signer-Halser und Alexander Burren analysierten sie die SNP-Genotypen vor dem Hintergrund der Schweizer Schafrassenvielfalt.
Dank
Dem Zuchtverein Walliser Landschaf, allen Züchterinen und Züchtern, die bei den Blutprobenentnahmen mitgeholfen haben, allen wissenschaftlichen Projektpartnern und dem Bundesamt für Landwirtschaft sei an dieser Stelle herzlich für die Zusammenarbeit gedankt.
5.4.2018 © ProSpecieRara