DNA-Analyse: Evolèner Rinder unter der Lupe
Wie steht es genetisch um die uralte Walliser Rasse? Eine DNA-Analyse brachte interessante Erkenntnisse.
Die Evolèner sind nicht nur eine uralte Walliser Rasse, sondern auch die am stärksten gefährdete Rinderrasse der Schweiz. Umso wichtiger ist es, ihre Genetik zu kennen, um die Erhaltungszucht entsprechend steuern zu können: Wie gross ist die genetische Vielfalt innerhalb der Rasse und wie steht es um die Inzucht? Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, wurde eine DNA-Analyse durchgeführt.
Die Gewebeproben dafür wurden aus den Haarwurzeln der Schwanzquaste von allen lebenden Evolèner-Tieren und aus gefrorenen Samendosen von allen noch verfügbaren KB-Stieren gewonnen, also von Stieren von denen Samendosen für die künstliche Besamung eingefroren wurden. Die aufwändige Gewebeprobensammlung brachte Proben von 641 Evolèner-Tieren. Mittels moderner Genanalysetechnik (SNP-Chips) wurde aus ihnen die DNA der Tiere an jeweils über hunderttausend verschiedenen Stellen pro Tier charakterisiert. Mit dieser sogenannten SNP-Genotypisierung konnte die Untersuchung des Erbgutes beginnen.
Gute Datengrundlage
Ein erster Check wurde hinsichtlich der Korrektheit der Abstammungen, die im Zuchtbuch erfasst sind, durchgeführt. Hier kann den Züchterinnen und Züchtern ein Kompliment gemacht werden. Nur bei gut einer Handvoll Tieren zeigten die DNA-Daten, dass falsche Ahnen erfasst wurden. Diese Daten konnten korrigiert werden. Dank der durch das Projekt vorliegenden DNA-Daten können künftig bei Unsicherheiten die effektiven Verwandtschaften schlüssig eruiert werden.
Genetische Variabilität der Evolèner
Die genetische Variabilität sagt aus, wie viele unterschiedliche Gene sich auf die Tiere verteilen und damit, wie stark sich die Tiere innerhalb einer Rasse genetisch unterscheiden. Je stärker dies der Fall ist, umso geringer ist die Gefahr der Inzucht. Erfreulich war darum der Befund, dass die Evolèner-Population eine genetische Heterogenität aufweist, was für den Rassenerhalt von grosser Bedeutung ist. Ein Vergleich mit den Eringern zeigte, dass die Evolèner genetisch viel heterogener sind als ihre Walliser Schwesterrasse, obwohl die Eringer zahlenmässig eine viel grössere Population aufweisen. Dazu beigetragen haben sicher auch die Bestrebungen, Genetik der sehr nahe verwandten, italienischen Valdostana-Tiere als Blutauffrischung in die Zucht zu integrieren.
Inzucht höher als angenommen
Etwas getrübt wurde die Freude darüber durch die Tatsachte, dass die durchschnittliche genomische (effektiv anhand der DNA der Tiere festgestellte) Inzucht für die 641 Evolèner mit 9.3% höher war als erwartet. Denn bislang ging man von einer deutlich tieferen, durchschnittlichen Inzucht von 3.1% aus. Diese berechnete das Zuchtbuchprogramm aus den Abstammungsdaten und es zeigte sich hier schön, dass die theoretische Berechnung vom effektiven Wert abweichen kann. Bei den Evolènern kam das nicht völlig überraschend, denn das Erhaltungszuchtprojekt ist noch nicht so alt, so dass es heute einige Tiere gibt, bei denen nicht alle Ahnen im Stammbaum bekannt sind. Bei 22% der Tiere gibt es Informationslücken bei den Ahnentieren in den ersten fünf Generationen. Das führt dazu, dass die berechneten Inzuchtwerte unterschätzt werden. Denn wo Ahnen fehlen kann auch keine Inzucht festgestellt werden. Mit genomischer Information besteht diese Lücke nicht und es wird die ganze Geschichte einer Rasse abgedeckt.
Spannende Erkenntnisse zur Farbvererbung
Bei den Evolènern gibt es verschiedene Farbschläge. Allen gemein ist, dass im Gegensatz zu den unifarbigen Eringern nahezu alle Evolèner mehr oder weniger ausgedehnt weiss gefleckt sind. Insbesondere weisse Abzeichen am Kopf gelten als rassetypisch. Weisse Schulter- und Kreuzflecken, weisse untere Gliedmassen, sowie eine weisse Körperunterseite und eine weisse untere Schwanzhälfte sind häufig. Einige Tiere zeigen die von den Pinzgauer Rinder bekannte Weissmusterung mit oftmals durchgehend weiss von Schulter bis Schwanzquaste sowie einer meist unterbrochenen weissen Linie vom Hinterbein über den Bauch bis zum Vorderbein. In einer aktuellen Studie des Instituts für Genetik der Universität Bern (https://boris.unibe.ch/131978/) konnte im Jahr 2019 erstmals gezeigt werden, dass diejenigen Evolèner, welche diese typische Pinzgauer-Weissmusterung aufweisen, Träger des sogenannten KIT-Gen sind, das eben auch bei den Pinzgauer Rindern für dasselbe Muster verantwortlich ist. Die Evolèner scheinen aber hier einige Besonderheiten aufzuweisen, weshalb die Forschungsarbeit fortgeführt wird.
Die Genetik der verschiedenen Farbschläge
Bei den Evolèner herrscht eine beträchtliche Vielfalt bezüglich der Farbgenetik. Neben unterschiedlich roten Tieren gibt es auch solche mit kastanienbrauner, aufgehellt schwarzer oder tiefschwarzer Grundfarbe. Zudem gibt es Tiere, die oftmals rotbraun geboren werden mit auffälliger dunkler Pigmentierung rund um Maul und Augen, die dann mit zunehmendem Alter mehr oder weniger vollständig ins Schwarze wechseln. Diese sogenannten Umfärber zeigen dann später mehr oder weniger dezente rot gefärbte Bereiche, insbesondere rund ums Maul und in den Ohren. Bei dieser Vielfalt ist es interessant zu wissen, wie die Farbvererbung genetisch abläuft. Woher kommt diese grosse farbliche Bandbreite?
Bei den Rindern bestimmt insbesondere das MC1R-Gen die Fellfarbe. Jedes Rind erhält sowohl von seiner Mutter als auch von seinem Vater eine Kopie (oder Allel) dieses Gens. Im Rahmen der DNA-Analyse konnten bei den Evolènern folgende Varianten des MC1R-Gens gefunden werden:
- Die Variante «ED» bewirkt eine schwarze Fellfarbe und ist dominant.
- Die Variante «e» bewirkt eine rote Fellfarbe und ist rezessiv.
- Die Variante «E+» bewirkt meist einer relativ dunkle Färbung und Umfärber.
- Die Variante «Eev1» bewirkt vermutlich eine eher dunkelrote Fellfarbe und ist wahrscheinlich rezessiv.
- Die Variante «Eev2» bewirkt vermutlich eine eher dunkelrote Fellfarbe und ist wahrscheinlich rezessiv.
Dass es viele verschiedene Farbschläge gibt, ist also auf diese verschiedenen Varianten des MC1R-Gens und deren unterschiedlichen Kombinationen zurückzuführen. Also darauf, welche Variante ein Tier von seiner Mutter und welche es von seinem Vater erhalten hat. Die Vielfalt der möglichen Kombinationen erklärt also, weshalb es bei den Evolènern nicht einfach nur rote und schwarze Tiere gibt, sondern etliche Zwischenformen. Im Moment lässt sich noch keine abschliessende Aussage zur direkten Wirkung der möglichen Kombinationen der MC1R-Varianten auf die Ausprägung der Grundfarbe bei den Evolènern treffen.
Dies müsste anhand der Genotypisierung weiterer Tiere mit bekannter Grundfarbe evaluiert werden. Ausserdem könnte so eine erste Aussage zur Frequenz der unterschiedlichen Farballele bei den Evolènern gemacht werden. Schlussendlich könnte damit zukünftig eine bessere Vorhersage bei Anpaarungen hinsichtlich der zu erwartenden Grundfarbe getroffen werden.
Einzigartige Evolèner
Die MC1R-Genvarianten Eev1 und Eev2 waren bislang unbekannt und wurden im Rahmen dieser Studie erstmals und ausschliesslich bei Evolènern entdeckt. Vermutlich lässt sich die mehr oder weniger intensive Farbe der kastanienbraunen Evolèner-Tiere mit diesen Mutationen erklären. Die genetische Einzigartigkeit ist mit ein Grund dafür, diese alte Walliser Rinderrasse zu erhalten.
Dieser Artikel basiert auf Informationen aus der Zusammenfassung «Auswertung Evolèner Genotypen» (Stand 16.01.2020) der Autoren Heidi Signer-Hasler & Christine Flury, HAFL, Zollikofen und Cord Drögemüller, Institut für Genetik, Universität Bern.
Wir danken für die gute Zusammenarbeit:
- Institut für Genetik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern
- Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL
- Evolèner-Zuchtverein
- Original Evolèner Viehzucht-Genossenschaft
- Genossenschaft swissherdbook
Ein Dank geht auch an das Bundesamt für Landwirtschaft für die finanzielle Unterstützung der DNA-Analyse im Rahmen des Förderprojekts für die Evolèner und vor allem an die Halter, Züchter und die Mitarbeiter in den Zuchtorganisationen, die mit ihrer einwandfreien Arbeit diese Studie überhaupt ermöglicht haben.
© ProSpecieRara, 20.1.2020