Schweizer Bratbirne - ein verkannter Leckerbissen
Erst wenn die Früchte teigig sind, schmeckt die 'Schweizer Bratbirne' - dann aber umso leckerer.
Die 'Schweizer Bratbirne', auch 'Imberwürzeli', 'Läderbirli' oder 'Kugelbirli' genannt, war um 1900 verbreitet. Am Zürichsee war sie als gewöhnlichste Winterkochfrucht bekannt. In dieser Region soll sie vor mehr als 200 Jahren als Sämling entstanden sein.
Die 'Kugelbirne' reift nicht vor Ende Oktober und hält bis ins neue Jahr. Ihre vorzüglichste Verwendung ist das Braten, Backen oder Schmoren im teigigen Stadium. Diesen schmackhaften, jedoch ungewohnt-unansehnlichen Zustand erreicht diese Obstsorte erst nach längerer Lagerung, was je nach Witterung und Pflückzeitpunkt über einen Monat dauern kann. Pflückreif und noch hart wird der Verzehr davon, ob frisch oder gekocht, zur Enttäuschung.
Damit die 'Imberwürzeli' auch zum Genuss werden, gilt es Folgendes zu beachten: Die Birnen sind sehr spät pflückreif. Deshalb ist es ratsam, sie nicht zu früh zu ernten, sonst bleiben die Früchte selbst nach vielen Wochen zäh, rübig und ungeniessbar. Werden sie jedoch nach und nach unansehnlich schwarzbraun, so darf man sich freuen. Die Birnen sind zu diesem Zeitpunkt teigig, das heisst die Textur hat sich verändert, die Gerbstoffe sind abgebaut und das Aroma tritt hervor. Auch ich glaubte damals, als ich noch nicht viel über diese spezielle Birne wusste, die Früchte seien verdorben...
Der Baum dieser alten Sorte wächst langsam, wird nicht gross. Der Wuchs ist aufrecht mit hängenden Fruchtästen. Die Sommertriebe sind von mittlerer Länge und Stärke, rötlich-braun mit feinen gelblich-weissen Punkten besetzt. Das Fruchtholz ist kurz und silberhäufig. Die Blätter sind ziemlich gross, meist rundlich, zuweilen auch eiförmig, fast ganzrandig, nur hie und da schwach gesägt oder gekerbt. Die obere Blattfläche ist glänzend dunkelgrün, die untere matt, ohne eine Spur von Wolle. Das Blatt ist von der Spitze her stets rückwärts gebogen. Die Blüte erscheint mittelspät, die Sorte trägt fast alljährlich, jedoch nicht gleichmässig. Die Schweizer Bratbirne ist bezüglich des Bodens und der Lage nicht anspruchsvoll, trotzdem ist der späten Reife wegen der Anbau in Raulagen zu unterlassen. Das Imberwürzeli ist robust und für den Bioobstgarten geeignet und kann in jeder Baumform gezogen werden. Die Form dieser einst geschätzten Wirtschaftsbirne ist plattrund. Meistens sind die Fruchthälften ungleich. Eine durchschnittliche Birne ist etwa 40mm hoch und 46mm breit. Der Kelch ist offen, aufliegend sternförmig, sehr schwach befilzt. Die Grundfarbe der Schale ist anfänglich grün, später gelblich-grün bis gelb. Sie tritt aber nie rein hervor, weil sie fast ganz von rötlichbrauner Berostung, Rostfiguren und Rostpunkten bedeckt wird. Auf der Sonnenseite der Frucht zeigt sich oft eine erdartige Röte. Das Fleisch ist grobkörnig, süssherb, ziemlich saftreich und fest. Man kann die Früchte auch mosten. Doch in Butter geschmort und gewürzt sind sie ein absoluter Leckerbissen!
So schmecken Bratbirnen am besten: Die Bratbirnen von der Fliege her halbieren, das Kerngehäuse entfernen. Die halbierten Früchte in etwas Butter bei niedriger Hitze schmoren, bis der Geruch so fein wird, dass man sie alle essen muss. Je nach Geschmack und Lust kann man mit Vanille, Nelken, Ingwer, Kardamom oder Zimt würzen. Anstatt in Butter kann man die Hälften auch in Wein garen.
Frits Brunner, Obstsortenkenner