'Rotsaure' – wurzelechte rote Sauerkirsche
Als Ursprungsform aller Kirschen wird die wilde Süsskirsche angenommen. Sie soll von der Urkirsche abstammen. Diese hat in von der Eiszeit verschonten Gebieten überlebt und ist nach dem Abschmelzen der Vergletscherung wieder vorgerückt.
Ihr Verbreitungsgebiet reicht von Westasien über den grössten Teil Europas. Aus ihr ist im Kaukasus die Sauerkirsche entstanden, als Wildform nur vom Kaspischen Meer bis zum Bosporus vorkommend. Von dieser wilden Sauerkirsche stammen ausläufertreibende Formenkreise ab. Diese sind viel weiter verbreitet als die Stammform. Hier kommen rotreifende Typen mit farblosem Saft verwildert vor, u.a. im Oberbaselbiet. ‚Amarellen’ ist der pomologische Name; im Volksmund heissen sie «Ämli, Ömli, Ämeli, Emdli», hier eben «Rotsuuri».
Der abgebildete Typ wurde nicht etwa gepflanzt: Ein paar Jahre nach dem Fällen und Ausstocken eines Süsskirschenbaumes fielen mir dort die ersten Bäumchen mit hellroten Kirschen auf. Möglicherweise war Sauerkirsche die Unterlage des gefällten Kirschbaumes. Ähnliche Typen habe ich in Titterten/BL gesehen. Mein Vater erzählte von mächtigen Bäumen dieser Sorte in Therwil/BL. Die Amarellen fanden vor 80 Jahren auf dem Markt guten Absatz, meist als Konfitürenkirsche.
Die Frucht ist plattrund, fast nierenförmig, die Haut gleichmässig leuchtend rot, durchscheinend. Das Fruchtfleisch ist weich, gelblich, saftig und säuerlich herb, leicht würzig, reif angenehm. Der Saft ist farblos. Der kräftige Stiel ist bei diesem Typus länger als bei den z.B. von Baumschulen vertriebenen «Ämli». Der Wuchs des Baumes (also der Wurzelschosser) ist in der Jugend kräftig und aufrecht, wird aber beim Einsetzen der Fruchtbarkeit bald hängend, typisch sauerkirschen-artig also. Die Reifezeit ist mittelspät.
Durch Loslösen von der gemeinsamen Wurzel mit Pickel und Spaten, können wurzelechte Jungpflanzen gewonnen werden. Diese können gleich an ihren vorbestimmten Platz gepflanzt oder auch zur Erstarkung verschult werden.
Sauerkirschen sind genügsam, was Lage und Boden betrifft. Allgemein gedeihen Sauerkirschen noch auf Böden, wo Süsskirschen versagen. Wurzelechte Amarellen-Typen überleben in günstigen Lagen in Skandinavien bis nahe an den Polarkreis.
Frits Brunner, Obstsortenkenner