Zwar hat das Europäische Patentamt (EPA) im Juni 2017 beschlossen, dass auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung keine Patente mehr erteilt werden dürfen. Aber es gibt noch immer rechtliche Schlupflöcher, welche die grossen Saatgutfirmen auszunützen wissen. So beachtet das EPA nicht ausreichend die grundlegenden Unterschiede zwischen konventioneller Züchtung (die Züchtung mit vorhandenen Eigenschaften, die ohne (gen-)technische Eingriffe abläuft und somit nicht patentierbar ist) und gentechnischen Verfahren (die patentierbar sind). Nach der gegenwärtigen Praxis werden auch Pflanzen, die auf der Grundlage von zufälligen genetischen Veränderungen gezüchtet werden, als patentierbare Erfindungen angesehen. Die grossen Konzerne wie BASF, Bayer-Monsanto, DowDupont (Corteva) oder auch die KWS verwenden in den Patentanträgen gezielt spezielle Formulierungen, mit denen technische Elemente (wie CRISPR/Cas) mit üblichen Methoden der konventionellen Züchtung vermischt werden, um den Eindruck einer technischen Erfindung zu erwecken.
Die Konsequenzen
Diese Strategie der Industrie verursacht massive Probleme bezüglich der Reichweite der Patente: Patente, die auf gentechnisch veränderte Pflanzen (oder Tiere) erteilt werden, könnten sich auch auf Pflanzen und Tiere erstrecken, die aus konventioneller Züchtung stammen und vergleichbare züchterische Eigenschaften aufweisen. Das bedeutet, dass sie unter die Reichweite des Patentes fallen können, auch wenn sie selbst nicht patentierbar sind.
Die grossen Saatgutkonzerne kontrollieren den Zugang zu den biologischen Ressourcen, die für die weitere Züchtung und somit für unsere Nahrungssicherheit benötigt werden. Sie bestimmen zudem wer womit arbeiten darf, was Landwirt*innen produzieren, was der Lebensmittelhandel anbietet und somit, was wir essen – und zu welchem Preis. Die Abhängigkeit von uns allen von diesen Saatgutmultis wird immer grösser.
Die Recherche
Der Bericht gibt einen Überblick über die Patentanmeldungen auf Pflanzen im Bereich der konventionellen Züchtung, die im Jahr 2020 veröffentlich wurden und vom EPA in den nächsten Jahren erteilt werden könnten. Die Recherche zeigt zudem, dass in den vergangenen zehn Jahren rund hundert Patenanträge pro Jahr angemeldet wurden, welche die konventionelle Züchtung betreffen, rund 30-50 Prozent der Anträge werden wohl bewilligt. Dies könnte einige Dutzend bis über hundert Pflanzensorten betreffen.
Die politische Forderung
Die europäische Koalition No Patents on Seeds, zu der auch ProSpecieRara gehört, will die Unabhängigkeit von Züchter*innen, Gärtner*innen und Landwirt*innen erhalten, die Züchtung, Anbau oder Vermehrung konventioneller Pflanzen und Tiere betreiben. Der Zugang zur biologischen Vielfalt, die für die weitere Züchtung benötigt wird, darf durch Patente nicht kontrolliert, behindert oder blockiert werden. Diese Freiheit ist auch eine Voraussetzung für die Zukunft
- der landwirtschaftlich genutzten Vielfalt
- von Bauernrechten/Farmers rights
- der freien Auswahl für die Konsument*innen
- der Sicherung der Welternährung
Folgende drei zentrale Punkte müssen geklärt werden, um die bestehenden Verbote der Patentierung von Pflanzensorten und Tierrassen sowie «im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung» in Kraft zu setzen:
- Definition von «im Wesentlich biologischen Verfahren»: Es muss klargestellt werden, dass die Definition von «im wesentlichen biologischen Verfahren» alle Verfahren umfasst, die in der konventionellen Züchtung üblich sind, einschliesslich von Zufallsmutagenese und einzelnen Stufen der Verfahren wie Selektion und/oder Vermehrung.
- Definition der «Produkte», die in Züchtungsverfahren verwendet oder hergestellt werden: Es muss klargestellt werden, dass alle «Produkte», die bei im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren verwendet oder mit diesen hergestellt werden, vom Verbot der Patentierung erfasst werden, einschliesslich aller Bestandteile von Pflanzen und Tieren, ihrer Zellen und genetischen Grundlagen.
- Begrenzung der Reichweite von Patenten: Das EPA darf im Bereich der Tier- und Pflanzenzucht keine Patente mit «absolutem Stoffschutz» erteilen. Sonst können Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere auch auf Pflanzen und Tiere mit den entsprechenden Merkmalen ausgeweitet werden, die aus konventioneller Zucht stammen.