Die Saaser Mutte, die Kupferhalsziege, die Grüenochte Geiss und die Capra Sempione – allesamt Walliser Rassen, fungieren seit Ende September offiziell auf der Liste der Schweizer Rassen des Bundes (die momentan vom Bund überarbeitet und 2021 publiziert wird). Das Prädikat «Schweizer Rasse» ist nicht nur für heimatverbundene Tierhalter*innen wichtig, sondern auch weil das Erscheinen auf der offiziellen Rassenliste des Bundes zusätzlich potentielle Halter*innen auf die Rassen aufmerksam macht. Zudem besteht für Schweizer Rassen die Möglichkeit, für besondere Projekte, die über die Förderung der täglichen Zuchtarbeit hinausgehen, Fördermittel des Bundesamtes für Landwirtschaft zu beantragen.
Der lange Weg zur Schweizer Rasse
Die Rettung einer bedrohten Rasse läuft fast immer ähnlich ab: Eine alte Rasse, die vielleicht gar nie einen offiziellen Status oder Rassenamen hatte, weil sie in dieser Gegend einfach DIE Rasse war, gerät in Vergessenheit. ProSpecieRara oder aufmerksame Zeitgenoss*innen bemerken das Verschwinden, worauf sich ProSpecieRara auf die Suche nach den letzten überlebenden Tieren und deren Halter*innen macht. Gleichzeitig wird recherchiert, ob es sich tatsächlich um eine Rasse mit Geschichte handelt. Alte Fotos, auf denen die Rasse erkennbar ist, sind oft wertvolle Dokumente. Sobald dieser Status geklärt ist, eröffnet ProSpecieRara ein Herdebuch und erfasst die vorhandenen Tiere inkl. deren Verwandtschaft, soweit bekannt. Falls die Rasse noch keinen Namen hat, wird ihr zusammen mit der Züchterschaft einer verliehen. Bei den Saaser Mutten war der Name rasch gefunden: Die Schafe kamen noch primär im Saastal vor und «Mutte» ist der Walliser Ausdruck für Schaf.
Nun gilt es, die Rasse bekannt zu machen und sowohl im Ursprungsgebiet als auch darüber hinaus, neue Halter*innen zu finden. Im Optimalfall wächst anschliessend das Züchternetzwerk, die Tiere werden mit Hilfe des Zuchtbuches geplant verpaart, so dass die Inzucht möglichst klein gehalten wird, es finden regelmässig Züchtertreffen statt und man einigt sich auf einen Rassestandard, also ein gemeinsames Zuchtziel. Bis zu diesem Zeitpunkt werden diese «Rahmenhandlungen» alle von ProSpecieRara organisiert. Mit der Gründung eines Zuchtvereins übergibt die Stiftung viel Verantwortung in die Hände des neuen Vereins. Bei den Walliserziegen war dies im vergangenen Sommer der Fall, wobei ein Vertreter von ProSpecieRara noch immer Mitglied im Vorstand ist. Bei den Saaser Mutten steht die Vereinsgründung noch an.
Anerkennung als Schweizer Rasse
Im Rahmen der Überarbeitung der Rassenliste des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW), ergab sich in diesem Jahr die Möglichkeit, weitere Rassen als offizielle Schweizer Rassen anerkennen zu lassen. Diese Chance hat ProSpecieRara genutzt. Da die historischen Hintergründe bereits gut recherchiert und dokumentiert waren, war die Anerkennung der vier Walliser Rassen eine Formsache. Anders sieht es fürs Schweizer Dreifarben-Kleinscheckenkaninchen aus, das seit einigen Jahren ebenfalls eine ProSpecieRara-Rasse ist. Denn das BLW hat definiert, dass nur Rassen als Schweizer Rassen anerkannt werden können, deren Zuchtgeschichte schon vor 1950 begonnen hat. Das Dreifarben-Kleinscheckenkaninchen ist aber erst in den 1970er-Jahren entstanden. Die aktuelle Definition ist deshalb aus Sicht von ProSpecieRara nicht nachvollziehbar, denn sie bedeutet, dass nach 1950 keine offiziellen Schweizer Rassen mehr entstanden sein können. Die Stiftung setzt sich deshalb dafür ein, dass diese Definition angepasst wird.