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An den Verhandlungen des FAO-Saatgutvertrags

Ende September fanden in Delhi (Indien) die Verhandlungen des Lenkungsorgans des FAO-Saatgutvertrages statt. ProSpecieRara war als Beobachterin anwesend, um sich für Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Nutzpflanzenvielfalt einzusetzen. Prozesse für wichtige Reformen wurden gestartet. Doch die Mühlen von multilateralen Abkommen mahlen langsam.

François Meienberg, Projektleiter Politik, vertrat ProSpecieRara an den Verhandlungen in Delhi

Ein wichtiges Ziel des neunten Treffens des Lenkungsorgans war es, einen Reformprozess für das «Multilaterale System des Saatgutvertrages» einzuleiten. Durch dieses System wird der Zugang zu allen Genbanken der Mitgliedsländer und internationaler Forschungseinrichtungen geregelt – auch zu jener von ProSpecieRara. Es definiert die Verpflichtungen und den Vorteilsausgleich der Nutzer:innen. So dürfen keine Patente auf das Material des Systems eingereicht werden und kommerzielle Nutzer:innen sollen einen Teil ihres Gewinns in einen Fonds für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Nutzpflanzenvielfalt, insbesondere in den Ländern des Südens, einbezahlen. Leider hat dieses «Multilaterale System des Saatgutvertrages» noch etliche Mängel: So gibt es auch nach fast 20 Jahren kaum nutzerbasierte Zahlungen in diesen Fonds. Um dies zu ändern, wurde bereits 2014 eine Arbeitsgruppe gebildet. Doch beim Treffen des Lenkungsorgans 2019 konnte kein Konsens gefunden werden und die Verhandlungen wurden abgebrochen.


Der FAO-Saatgutvertrag

Der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (auf Englisch: International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture, ITPGRFA) ist ein Abkommen mit 149 Mitgliedstaaten. Der Einfachheit halber nennen wir ihn FAO-Saatgutvertrag[1]. Er ist das Pendant – spezifisch für die Nutzpflanzen – zur Biodiversitätskonvention (CBD) und verfolgt die gleichen Ziele: Die Erhaltung, die nachhaltige Nutzung, sowie die Regelung des Zugangs und des gerechten Vorteilsausgleich. Die Umsetzung dieser Ziele für die Nutzpflanzen wurden von der Biodiversitätskonvention an ein spezialisiertes Abkommen im Rahmen der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) delegiert. Der FAO-Saatgutvertrag ist seit 2004 in Kraft. Seither finden alle zwei Jahre die Treffen des Lenkungsorgans statt, welchem alle Unterzeichnerstaaten angehören. Ziel dieser Treffen ist es, die Umsetzung des FAO-Saatgutvertrages weiter voranzutreiben.


Wiederaufnahme der Reform
Es war nun vor allem das Verdienst der Schweiz, dass die Reform in Delhi wieder auf die Agenda kam – und nun weiter vorangetrieben wird. Das Lenkungsorgan hat entschieden, dass in den nächsten drei Jahren im Rahmen einer Arbeitsgruppe nochmals Verhandlungen für die Reform des Multilateralen Systems stattfinden sollen. Gemeinsam mit Vertreter:innen von rund 30 Vertragsstaaten sollen neben der Industrie und der Forschung auch wieder Bauern- und Nichtregierungsorganisationen am Verhandlungstisch dabei sein. Im Unterschied zum früheren Reformprozess soll das Problem der sogenannten Digitalen Sequenzinformationen (DSI) gleich zu Beginn der Verhandlungen aufgegriffen werden. Denn unter anderem an dieser Frage scheiterte vor drei Jahren die Reform. Der Streitpunkt ist, ob im Rahmen des Multilateralen Systems auch der Zugang zu DSI geregelt werden soll – mit all den betreffenden Pflichten. Fakt ist heute, dass für diverse Entwicklungen der Pflanzenzucht der Zugang zu digitalen Sequenzinformationen für Züchter:innen fast ebenso wichtig ist wie zu den Pflanzen selber. Und wenn diese nicht in das System eingeschlossen werden, sind sie eine Möglichkeit, die bestehenden Pflichten zu umgehen.  Deshalb fordern unter anderem Bauernorganisationen und viele Staaten des Südens ihren Einbezug. Eine analoge Auseinandersetzung findet zurzeit auch im Rahmen der Biodiversitätskonvention statt.

ProSpecieRara machte in Delhi noch auf andere Mängel im Rahmen der Umsetzung des Multilateralen Systems aufmerksam. So bekommen Saatgutfirmen in den USA nach wie vor Zugang zu den genetischen Ressourcen, ohne einen Zugangsvertrag (eine standardisierte Materialübertragungsvereinbarung) zu unterschreiben. Dieser regelte den Zugang zu sämtlichen genetischen Ressourcen in nationalen und internationalen Genbanken. Dadurch wird das ganze System ausgehöhlt. Der Umfang dieses Problems soll nun in einem ersten Schritt in einem Bericht aufgezeigt werden.

Umsetzung der Bauernrechte – Beispiel aus der Schweiz
Wie bei jeder Sitzung des Lenkungsorgans wurde auch dieses Mal besonders heftig über die Bauernrechte gestritten. Der FAO-Saatgutvertrag war das erste internationale Abkommen, welches Bauernrechte anerkannte: das Recht auf Schutz des traditionellen Wissens, das Recht auf Partizipation an politischen Prozessen, das Recht auf gerechte Teilhabe an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung der Nutzpflanzendiversität ergeben, sowie das Recht, aus dem Betrieb gewonnenes Saatgut/Vermehrungsmaterial zurückzubehalten, zu nutzen, auszutauschen und zu verkaufen.

Das Lenkungsorgan hat nun ein Dokument verabschiedet, welches den Vertragsstaaten Optionen und Beispiele aufzeigt, wie die Bauernrechte auf nationaler Ebene umgesetzt werden können. Dazu gehört auch ein Beispiel aus der Schweiz, welches ProSpecieRara eingereicht hatte. Es erwähnt die im Schweizer Patent- und Sortenschutzgesetz vorhandene Regelung, dass vertragliche Abmachungen, die das Landwirteprivileg für die freie Vermehrung des eigenen Saatgutes einschränken oder aufheben, nichtig sind.

Für die Umsetzung der Bauernrechte soll zudem verstärkt die Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gesucht werden. So können künftig Synergien des FAO-Saatgutvertrages und der «UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten» (UNDROP), genutzt werden.

Weitere Entscheide, die an den Verhandlungen in Delhi getroffen wurden, sind für die nachhaltige Nutzung der Sortenvielfalt wichtig. So wurde eine Arbeitsgruppe einberufen, welche Vorschläge für künftige Strategien zur Beseitigung der Engpässe, die die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Nutzpflanzendiversität erschweren, erarbeiten soll. Als Engpässe wurden z.B. Saatgutgesetze erwähnt, welche den freien Austausch oder Verkauf von Saatgut behindern.


[1] Mehr Infos zum FAO-Saatgutvertrag finden sich auf unserer Website oder direkt auf der Website des Vertrages (Englisch, Französisch und die weiteren offiziellen UN-Sprachen).