Fraurotacher – ein französischer Senior

Schweizer Söldner brachten diese Apfelsorte wohl einst aus Frankreich in die Schweiz.

Diese Sorte ist auf jeden Fall sehr alt, gemäss Leroys «Dictionnaire de Pomologie» (erschienen 1873) wurde sie bereits Ende 14. Jahrhundert als 'Pomme de Chastegnier' erwähnt. Somit ist klar, dass die Sorte nicht im Thurgau entstanden ist, wie das Pfau-Schellenberg 1) angibt. Kessler 2) schreibt zum 'Fraurotacher': «Ursprung unbekannt».

Der Fraurotacher war vor allem in der Welschschweiz eine verbreitete Sorte, sie findet sich jedoch auch in der Deutschschweiz noch gelegentlich auf Altbäumen auf Streuobstwiesen oder in Hausgärten. Alte Bäume sind meistens flachkronig, selten symmetrisch gewachsen.

Anlässlich eines Inventars hier in Therwil/BL fand ich die Sorte auf dem Hof «Hingerling» am Waldrand, typisch krumm, die Früchte auch im Oktober noch hart. Karl Stoll sel., bekannter Schweizer Pomologe und Gründungsvater der Partnerorganisation Fructus, hatte mir damals die Sorte bestimmt. Ich erinnere mich auch noch genau, wo der Baum stand. Er ist längstens gefällt, inzwischen ist mir auch der Apfel kein Rätsel mehr.

Im Oberwallis heisst dieser Allzweckapfel 'Rotacker' oder 'Rotacher' und ist auf Altbäumen eine verbreitete Sorte. Auch im Unterwallis gehört der 'Franc Roseau' zum Inventar der oft in Quellfluren angelegten traditionellen Streuobstgärten.

Als historische Sorte, dürfte der 'Fraurotacher' durch heimkehrende Söldner in die Schweiz gelangt sein. Unser Apfel eignet sich zum Mosten, zum Backen Braten und Dörren. Gelagert wurde er als Tafelfrucht geschätzt. Früher zusammen mit der 'Kanada Reinette' (franz. 'Reinette blanche du Canada') auf den Märkten verkauft und sogar exportiert. Das feste Fruchtfleisch macht diese Sorte transportfähig, zudem wird er aus sonniger Lage schön rot.

Frits Brunner, Obstexperte ProSpecieRara

1) PFAU-SCHELLENBERG“. Schweizerischer Landwirtschaftlicher Verein: Schweizerische Obstsorten. 1863. Das nach seinem Herausgeber allgemein „Pfau-Schellenberg“ genannte Werk besticht durch seine einmaligen Farbtafeln und die köstlichen Beschreibungen von Apfel- und Birnensorten. Neuauflage im 2017 durch den Verlag Haupt Bern unter dem Titel "Gustav Pfau-Schellenberg 100 alte Apfel- & Birnensorten"

2) KESSLER H. (1945): Apfelsorten der Schweiz. Herausgegeben vom Schweizerischen Obstverband in Zug. 60 Abbildungen im Elffarbendruck, 79 Schnittzeichnungen.

Wie steht es heute um die Absicherung dieser Sorte?
Die Apfelsorte ‚Fraurotacher’ ist mit 12 Bäumen in den ProSpecieRara-Obstgärten abgesichert. Auch in Erhaltungsgärten des Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung der pflanzengenetsichen Ressourcen NAP-PGREL, welcher vom Bundesamt für Landwirtschaft unterstützt wird, sind mind. 6 Bäume enthalten. Vereinzelt gibt es vermutlich noch weitere Bäume zu dieser Sorte, die nicht erfasst sind oder eine andere Bezeichnung haben. Möchten Sie 'Fraurotacher' anpflanzen? Dann vermitteln wir Ihnen gerne Edelreiser bzw. eine Bezugsquelle in einer Baumschule. Herzlichen Dank für Ihr Interesse!

 

Der 'Fraurotacher' im Sortenfinder

Gertrud Burger
Bereichsleiterin Pflanzen, Mitglied der Geschäftsleitung
Tel. +41 61 545 99 26