Egal ob bei Pflanzen oder Tieren: Die Hybridzüchtung basiert auf dem sogenannten Heterosis- oder Hybrideffekt. Hybride entstehen durch das gezielte Zusammenführen (=Kreuzen) ausgewählter, sich stark voneinander unterscheidender Elternlinien mit spezifischen Eigenschaften. Die positiven Eigenschaften der Eltern vereinen sich durch das Kreuzen in der daraus entstehenden Pflanzen- oder Tiergeneration (F1 = Filialgeneration 1), so dass deren Ertrag deutlich über dem Ertrag der Elternlinien liegt. Neben ihrem erhöhten Ertrag zeichnen sich Hybriden zudem durch ihre Uniformität aus. Die Pflanzen eines Bestandes unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und ihrem Aussehen untereinander kaum.
Beispiel Karotte: Karotten sind klassische Fremdbefruchter. Insekten bringen also Pollen von der einen Pflanze auf die Narben einer anderen. Der daraus entstehende Samen beinhaltet eine genetische Mischung aus beiden Pflanzen. In der Sortenzucht wird nun aber wiederholt künstlich eine Selbstbefruchtung herbeigeführt. Das führt über einige Pflanzengenerationen, wo jeweils nur die den Ansprüchen am besten entsprechenden Pflanzen ausgewählt werden, zu einer Reinerbigkeit. Aus mischerbigen (bzw. heterozygoten) Organismen wurden reinerbige (bzw. homozygote). So beinhaltet die Mutterlinie beispielsweise eine ausgesprochene Knackigkeit der Karotte, die Vaterlinie weist die gewünschte zylinderförmige Rübenform und ein perfektes Orange auf. Als Folge der Inzucht kommt es aber auch zur sogenannten Inzuchtdepression, wodurch z.B. der Ertrag nicht sehr hoch ist. Kreuzt man nun aber die beiden Linien, beinhaltet diese Filialgeneration 1 (F1) nicht nur die gewünschten Eigenschaften der Eltern, sondern es entsteht zusätzlich ein Heterosiseffekt, wodurch sich der Ertrag deutlich erhöht. Der Heterosiseffekt ist je größer, je genetisch unterschiedlicher die Elternlinien sind.
Erntet man jedoch aus dieser F1-Generation Saatgut und sät dieses wieder aus, verpufft der Effekt rasch und es ist nicht vorhersehbar, wie sich die Eigenschaften der Eltern neu kombinieren. Der Ertrag der Nachkommen der Hybriden geht zurück und die Einheitlichkeit vollständig verloren.
Beispiel Schweine und Hühner: Bei den Mastschweinen gehören nur noch ganz wenige Tiere einer nachzüchtbaren Rasse an, bei den Legehennen und Masthühnern wird heute gar ausschließlich mit Hybriden gearbeitet. Das Vorgehen ist ähnlich wie bei den Pflanzen. Auch hier werden Inzuchtlinien, bzw. sehr homogene Rassen miteinander gekreuzt, um leistungsstarke Hybriden zu erhalten. Ließe man Masthühner so lange leben, dass sie ins zeugungsfähige Alter kämen, so legten diese – die Anwesenheit eines Hahns vorausgesetzt – zwar befruchtete Eier, die ausgebrütet werden könnten, aber die neue Hühnergeneration (F2) entspräche, wie oben bei den Karotten beschrieben, nicht wirklich den Elterntieren und erreichten nicht mehr deren Leistung.
Vor- und Nachteile
Die Vorteile wie hoher, gleichmäßiger Ertrag sind nicht von der Hand zu weisen. Aber Hybrid-Sorten und -Rassen können niemals selber sortenecht nachgezüchtet werden, sodass immer wieder neues Saatgut und neue Küken oder Ferkel bei der Züchterfirma gekauft werden müssen. Was in unserer hochspezialisierten Landwirtschaft oft sowieso passieren würde, kann für die Bauern in ärmeren Ländern existenzbedrohend sein. Besonders ungut an dieser Abhängigkeit: Es sind ganz wenige Firmen, welche die Inzuchtlinien besitzen, entsprechend die Hybriden herstellen können und somit letztlich bestimmen, was wir essen. Nach der aktuellen Fusionswelle (Syngenta mit ChemChina, Dow Chemical mit DuPont und Monsanto mit Bayer) kontrollieren drei Firmen 60 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes. Beim Geflügel sind es sieben Betriebe, welche Mast- bzw. Legehybriden für den Weltmarkt liefern. Bei den Schweinen ist die Situation noch nicht ganz so beängstigend, hier gibt es zum Beispiel in der Schweiz noch zwei eigenständige Zuchtorganisationen, welche ihre eigenen Hybriden züchten und an Mäster*innen verkaufen.
Die Monopolisierung bringt zudem eine genetische Verarmung mit sich. Denn für den weltweiten Markt werden einander sehr ähnliche Hybridsorten und -rassen gezüchtet. Da sie nicht selber nachgezogen werden können, kann auch keine Anpassung an lokale Verhältnisse und Umweltbedingungen stattfinden. Je enger der Genpool ist, desto schwieriger ist es zudem, auf neue Krankheiten oder Klimaveränderungen zu reagieren.
Hybridsorten als kulturelles Erbe?
Und was ist mit den Hybridsorten, welche die Firmen aus ihrem Sortiment nehmen? Hybridzucht wird bei den Pflanzen schon seit den 1920er-Jahren betrieben, bei den Tieren setzte sich das Vorgehen etwas später durch. Auch Hybridsorten könnten zum kulturhistorischen Erbe gezählt werden, denn es sind Sorten, die teilweise über einige Jahrzehnte auf den Feldern und in den Läden präsent waren. So prägt zum Beispiel die Karottensorte Bolero F1 die erfolgreiche Vermarktung von Bio-Karotten seit den 1990er-Jahren bis heute. Nimmt die Züchterfirma diese Sorte irgendwann aus dem Sortiment, können Erhalterorganisationen wie ProSpecieRara diese nicht in ihr Erhaltungssystem integrieren, weil die Firma die dazugehörigen Inzuchtlinien meist nicht herausgibt. Andererseits wäre fraglich, ob die Ressourcen für eine aufwändige Linienerhaltung überhaupt vorhanden wären. Solche Sorten gehen in der Folge verloren und sind damit auch nicht mehr für die weitere züchterische Bearbeitung verfügbar.
Folgende Sorten prägten ebenso wie Bolero F1 für eine gewisse Zeit den Gemüsebau. Unabhängig von ihren Eigenschaften oder ihrer Herkunft, wird sich in der Sortengeschichte eine Lücke auftun, wenn diese Sorten durch die Züchterfirma nicht mehr erhalten und angeboten werden. Momentan sind einige der Sorten noch in der EU angemeldet:
Gurken 'Aramon F1’
Kohlrabi 'Express Forcer F1’, 'Quickstar F1’
Rote Rübe 'Red Ace F1’
Tomaten 'Lucy F1’, 'Master F1’, 'Tresor F1’
Weißkohl 'Stonehead F1’
Zucchini 'Diamant F1’
Zwiebeln 'Copra F1’
(mit herzlichem Dank an Martin Koller, FiBL für die Sortenrecherche)
Weitere Züchtungsverfahren
Während Hybridzucht ganz klar nichts mit Gentechnik zu tun hat, gibt es einige neue Verfahren, von denen die Anwender*innen sagen, dass auch sie nichts mit Gentechnik zu tun haben und so die geltende Gentechregulierung umgehen möchten. Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) zu der auch ProSpecieRara gehört, sieht dies jedoch anders und hat im März 2018 eine entsprechende Informationsplattform zusammengestellt. Für weitere Infos zu diesen verschiedenen Verfahren verweisen wir Sie deshalb gerne auf www.keine-neue-gentechnik.ch
April 2018, © ProSpecieRara