Die hohe Biodiversität in den Alpen ist über Jahrtausende entstanden, in denen die Menschen Bewirtschaftungsformen entwickelten, die der Anwesenheit des Wolfes Rechnung trugen. Da der Wolf nach seiner Eliminierung über lange Zeit kein Thema mehr war, konnten sich in jüngerer Zeit Alpsömmerungssysteme etablieren, die jetzt mit der Rückkehr des Wolfs nicht mehr verlustlos funktionieren.
Die heftigen Reaktionen von Menschen, die tote und verletzte Opfer von Wölfen erlebt oder die Bilder von gerissenen Tieren gesehen haben, sind absolut nachvollziehbar. Und auch, dass nach Jahrzehnten des Arbeitens ohne Wolf bei dessen Rückkehr zuerst dieser als fehl am Platz gesehen wird und nicht die Sömmerungssysteme hinterfragt werden, ist naheliegend.
Aber selbst wenn neue Formen der Alpsömmerung gesucht werden, ist dies nicht immer einfach. So z.B. im Wallis, wo die Bestossung vieler kleiner Alpen ein kulturhistorisches Gut ist. Hier sind die Tierzahlen oft unterhalb der Limite, ab der eine Behirtung oder der Einsatz von Herdenschutzhunden finanziell tragbar wären. Denn anders als noch vor 100 Jahren ist die Behirtung durch Menschen heute ein relevanter Budgetposten. Dazu kommt, dass es Gebiete gibt, wo infolge der geografischen Gegebenheiten (Topografie, felsiger Boden, ...) gewisse Schutzmassnahmen nicht umsetzbar sind. (z.B. Zäune für Nachtweiden).
Das Dilemma
ProSpecieRara setzt sich für die gefährdeten Nutztierrassen ein mit dem Ziel, die Biodiversität in der Schweiz zu schützen und zu fördern. Der Wolf ist ebenfalls Teil der einheimischen Biodiversität. Dadurch entsteht für uns ein Dilemma. Denn mit seinem Zurückkommen in einst angestammte Gebiete stellt er einen Teil der ursprünglichen Biodiversität wieder her, wird aber gleichzeitig durch seine hohe Mobilität auch zu einer schwer überwachbaren Bedrohung für die Nutztierbestände.
Aus dieser Ambivalenz heraus nimmt ProSpecieRara in der Wolf-Frage eine neutrale Position ein und engagiert sich weder für noch gegen den Wolf und somit auch nicht für oder gegen das neue Jagdgesetz, das am 27. September 2020 zur Abstimmung kam.
Konkrete, aktuelle Massnahmen
Auch wenn wir nicht systematisch Schutzmassnahmen finanziell unterstützen können, versuchen wir punktuell Hilfe zu leisten. So unterstützten wir 2020 im Saastal im Rahmen des Rettungsprojekts für die Saaser Mutten die Anschaffung einer mobilen Hütte, damit die Behirtung der gefährdeten Saaser Mutten umgesetzt werden konnte.